Alfelder Musikanten

Auszug aus der Dissertation "Musikantenhandwerk" von Dr. Heidi Christ

Offensichtlich unterschied sich die musikalische Situation in Alfeld nicht wesentlich von der in Happurg. Hier wie dort hatte Anfang der 1960er Jahre eine junge Musikantengeneration die Geschäfte in die Hand genommen und sich dabei einem modernen Repertoire zugewandt, ohne die althergebrachte Musik gänzlich abzulegen. Die Beweggründe hierfür waren wohl, dass für beide Musikgattungen Bedarf vorhanden war, die gute Verdienstmöglichkeiten beinhaltete.

 

Während die Schmidt Allrounds sich zunehmend als Tanzmusikkapelle betätigten, vollzog sich in Alfeld ein Wandel in anderer Richtung. Aus den zwei Partien der Alfelder Juniors entwickelte sich eine Gruppe, die vor allem auf traditionelle Tanzmusik setzte und daneben über Jahrzehnte hinweg böhmische Musik à la Ernst Mosch im Repertoire behielt. Allgemein gilt das Jahr 1968 als Gründungsjahr der Alfelder Musikanten. 

 

Durch die Protektion des gegenwärtigen Alfelder Bürgermeisters [hs ergänzt: (Lebru)] wurden ihre althergebrachten Zwiefachen usw. vom Bayer. Rundfunk aufgenommen. Sie wirken immer wieder bei öffentl. Veranstaltungen des Bayer. Rundfunks mit. (Bruckner 1981: 67) 

 

Erstmals traten die sechs Musikanten Georg Alfa (1. Trompete), Werner Lämmel (2. Trompete), Werner Maul (Akkordeon, vulgo Mollerer), Hans Maul (Tuba), Georg Maul (1. Klarinette) und Erwin Söhnlein (2. Klarinette) anlässlich einer Aufzeichnung des Bayerischen Rundfunks im Oktober 1968 in Erscheinung, im Zeitungsbericht als Alfelder Musikanten, in der Bildunterschrift zum selben Artikel als Wamberl Kapelle bezeichnet. (HZ 23.10.1968) Sie trugen bereits einheitliche Kleidung und sollten ganz offensichtlich das Image einer traditionsreichen, der regionalen Brauchüberlieferung verhafteten Kapelle vermitteln.

Abb. 14: "Geburtsstunde" der Alfelder Musikanten: Werner Lämmel, Georg Alfa, Georg Maul, Werner Maul, Erwin Söhnlein, Hans Maul (v. l.) bei der Aufnahme des Bayrischen Rundfunks im Oktober 1968.
Abb. 14: "Geburtsstunde" der Alfelder Musikanten: Werner Lämmel, Georg Alfa, Georg Maul, Werner Maul, Erwin Söhnlein, Hans Maul (v. l.) bei der Aufnahme des Bayrischen Rundfunks im Oktober 1968.

Beim Bayerischen Rundfunk wurden wenig später die ersten Studioaufnahmen vom 10. Oktober 1968 unter dem Namen Alfelder Musikanten archiviert. Dass diese Live- und Studioaufnahmen wesentlich zur Gründung der Gruppe beitrugen, erhellt die Erzählung von Georg Maul darüber, wie Georg Alfa (vulgo Peßler, 1930-1992) zu den Alfelder Musikanten kam. Ab Mitte der 1960er Jahre gab es in Alfeld einen Faschingsumzug, bei dem die Alfelder Juniors spielten und da haben wir den Peßler damals schon geholt, erinnerte Georg Maul. Bereits mehrfach hatte Leonhard Bruckner schon bei Georg Alfa angefragt, ob er denn nicht fest in Alfeld mitspielen möchte und auch Georg Maul hatte sich bei dem Startrompeter der Kapelle Schmidt mehrmals Körbe geholt. Als es allerdings um Rundfunkaufnahmen ging, sagte Georg Alfa schließlich doch zu.

 

Dann hat er gesagt: Naja, dann mache ich halt mit, Georg, dich kenne ich ja gut ... Dann haben wir da angefangen mit Rundfunkaufnahmen, Musikantentreffen, und er hat nebenbei beim Schmidt noch gespielt. Wenn er da was gehabt hat, hat er bei uns nicht mitgespielt. (Interview vom 02.08.2000)

 

Bei näherer Betrachtung der musikalischen Biographien der Kapellenmitglieder wird deutlich, dass alle auf reichlich Erfahrung in Tanz- und Unterhaltungsmusik zurückgreifen konnten und diese auch semiprofessionell betrieben.

 

Hans Maul (1925-1997) erhielt im Rahmen der Rundfunk-Aufzeichnung im Alfelder »Deutschen Hof« aus den Händen des Bürgermeisters Leonhard Bruckner einen essbaren Violinschlüssel als Anerkennung für seine 30jährige Zugehörigkeit zur Kapelle. (ebda.) Georg Maul (* 1929) konnte zu diesem Zeitpunkt bereits auf 21 Jahre aktiven Musizierens zurückblicken und Erwin Söhnlein (vulgo Noll, 1939-1995), der Sohn des ehemaligen Kapellenleiters Konrad Söhnlein jun. besaß ebenfalls jahrelange Erfahrung als Alfelder Musikant. Das war ein super Musikant, der hat eine Terz hingeblasen, die ist sagenhaft ... Der Noll war ein Genie schwärmte Werner Lämmel. 

 

Der Henfenfelder Werner Lämmel (1937-2004) begann seine Karriere im Posaunenchor und spielte anschließend bei der Trachtenkapelle in Henfenfeld Tenorhorn. Diese etwa acht Mann starke Blaskapelle war Mitte der 1950er Jahre gegründet worden und stand unter Leitung von Georg Mörtel, der selbst wiederum lange in der weithin bekannten Nürnberger Trachtenkapelle Jackl Strobel spielte. Da Werner Lämmel nicht weiter Tenorhorn, sondern ein anderes Instrument spielen wollte, wechselte er nach so ein[em] Jahr oder zwei zur Offenhausener Kapelle. Von dort wechselte er, nun als Trompeter, zu den Schmidt Allrounds, wo er auch noch 1968, zum Zeitpunkt der ersten Rundfunkaufnahmen fest spielte. Schon 1969/70 war der Lebru [vulgo für Leonhard Bruckner] mal bei mir, hat er gesagt: Mensch, komm halt auch zu den Alfeldern. Habe ich gesagt: Ach geh, ich bin doch jetzt noch beim Schmidt, das mache ich nicht, dass ich immer wo anders hingehe. Als nach dem Tod von Fritz Huber der Offenhäuser Trompeter »Post-Fritz« zu den Alfelder Musikanten stieß, merkte man bald: der hat nicht hingehaut, weil er, wie Xaver Reif anmerkte auch nur ein erster Trompeter, wie der Peßler [war], ... der Peßler hat auch keine zweite spielen können. Darauf hin hatte Werner Lämmel 1973 seinen endgültigen Einstand bei den Alfelder Musikanten, weil er eben ein zweiter Trompeter war. Und dann muss ich gleich sagen, dann habe ich einmal eine Probe gehabt und dann ... habt ihr gesagt, das Bayerische Bilder- und Notenbüchl wird aufgenommen, ... und dann habe ich gesagt: dann muss ich halt doch mit. Und dann war der erste Auftritt beim Fernsehen da, wie wir auf München sind (Interview vom 02.08.2000).

 

 

Herbert Wagner, ein heimatvertriebener Egerländer, der in Eckeltshof wohnte, galt als hervorragender Akkordeonspieler. Kurze Zeit war auch der Tenorhornist Hans Löhner aus Hersbruck mit von der Partie. Hans Löhner hatte jedoch andere Ambitionen als die übrigen Musikanten, seine Vorstellungen zielten sowohl auf eine Art Oberlandler-Kapelle als auch auf viele Engagements mit kleinen ad-hoc-Besetzungen. Hans Löhner, der vermutlich dem Vorbild von Jackl Strobel nacheiferte, bei dem er eine Zeit lang gespielt hatte, machte professionell Verträge, hat da drei Mann hin, und da einmal ein paar Mann ... und das hat uns nicht gefallen. Georg Maul zum Beispiel fühlte sich auch nicht in der Lage, den Ansprüchen seines Kollegen gerecht zu werden, der ihn, den noch nicht ganz sattelfesten Tenor-Saxophonisten, schon mal einfach als Alt-Saxophonisten einteilte (Interview vom 02.08.2000). Nachdem auch Emil Händel, späterer Volksmusik-Redakteur beim Bayerischen Rundfunk in Nürnberg, Bedenken gegenüber der Tenorhornstimme geäußert hatte – Das passt nicht, ihr müsst bei eurem Stil bleiben, weil beim Tenorhorn geht dann schon die Blasmusik an, da ... muss für jeden die Stimme geschrieben sein, dass es dann zusammenstimmt, gab Georg Maul sinngemäß Händels Einwände wieder – trennten sich die Wege Hans Löhners und der Alfelder Musikanten bald (Interview vom 04.12.1996a). Als Hans Löhner zum Jahreswechsel 1973/74 mit einer Kapelle aus zwölf Musikern und einem Jodler aus »unserem Gäu« nach Liberia reiste (HZ 01.11.1973), war auch Ludwig Pfann mit von der Partie. Er wiederum übernahm die Akkordeonisten-Stelle bei den Alfelder Musikanten von Herbert Wagner und spielte bis Ende der 1980er Jahre. Sein Nachfolger wurde Herbert Dehling. Ihn kannte Georg Maul seit etwa seinem 17. Lebensjahr von der Kapelle Büttner in Schwend und akquirierte ihn quasi vom Acker weg: Horch, ... wie schaut’s denn aus, willst Du mit machen, die Woizkirwa, wir brauchen einen Quetschenspieler. Dass er nicht von Anfang an alle Stücke gekannt habe, sei nicht so sehr aufgefallen, weil beim Tanz haben wir Schlagzeug, und einen Bass haben wir noch gehabt (Interview vom 04.12.1996b).

 

Abb. 17: Die Alfelder Musikanten bei einer nicht näher bezeichneten Veranstaltung mit Ludwig Pfann, Hans Maul, Erwin Söhnlein, Georg Maul, Werner Lämmel und Georg Alfa, Anfang der 1970er Jahre
Abb. 17: Die Alfelder Musikanten bei einer nicht näher bezeichneten Veranstaltung mit Ludwig Pfann, Hans Maul, Erwin Söhnlein, Georg Maul, Werner Lämmel und Georg Alfa, Anfang der 1970er Jahre

Nachdem Erwin Söhnlein 1979 mit seiner damaligen Freundin nach Belgien ging, übernahm Ludwig Pirner die zweite Klarinettenstimme. Zu Ludwig Pirner (1935-2001) kamen die Alfelder Musikanten durch Ludwig Pfann, der seinen Namenskollegen als versierten zweiten Klarinettisten aus der Egerländer Blaskapelle in Sulzbach-Rosenberg kannte (Interview vom 01.10.2004). Georg Alfa verstarb 1992 infolge eines Herzinfarktes nach dem Posaunenchorspiel bei der Kirchweih der katholischen Kirche Happurg. Seine Stimme übernahm Xaver Reif, der zwischen 1950 und 1954 eine eigene Kapelle in Traunfeld geführt und ab 1954 in der Trachtenkapelle Henfenfeld gespielt hatte. Der im April 1997 verstorbene Hans Maul musste aus gesundheitlichen Gründen bereits 1992 mit dem Tubablasen aufhören. Seinen Part übernahm Stefan Kramer, der von der Jugendblaskapelle Hersbruck her kam.

 

Es war mit Sicherheit ihre Erfahrung und Professionalität, die den Alfelder Musikanten innerhalb kürzester Zeit zu dem Ruf verhalf, eines der besten Ensembles der beginnenden Volksmusikpflege (vgl. Kapitel 8.5) zu sein. Diese Musikanten brachten das nötige Handwerkszeug mit, mussten sich nicht erst mit Noten und Tanzgattungen, Tempi und Stilfragen auseinandersetzen, wie die meisten der sich in rascher Folge ab Ende der 1960er Jahre gründenden Volksmusikgruppen. Sie konnten nahtlos an Traditionen anschließen, die in ihrer unmittelbaren Umgebung nach wie vor feste Plätze in der Fest- und Feiergestaltung hatten. Bis zum Ende ihrer aktiven Zeit bedienten sie – von der Pflege weitgehend unbeachtet – bei passenden Gelegenheiten ihr Publikum nicht nur mit traditioneller Tanzmusik, sondern auch mit der aus den 1960er und 1970er Jahren übernommenen Unterhaltungsmusik. Wenn sie im Auftrag der institutionalisierten Volksmusikpflege unterwegs waren, bei öffentlichen Veranstaltungen wie Sänger- und Musikantentreffen, für den Bayerischen Rundfunk oder für Tonträger, beschränkten sich die Alfelder Musikanten auf traditionelles Repertoire und verzichteten auf die modernere böhmische Blasmusik.

 

Feldaufnahmen mit den Alfelder Musikanten belegen für die Jahre zwischen 1995 und 2002 sowohl die unterschiedlichen Musikstile und deren Einsatz bei diversen Veranstaltungen, als auch die auch nach der Übergabe an die nächste Generation gehandhabte Praxis, mit Aushilfen zu spielen. Einen absoluten Sonderfall stellte dabei der Maitanz in Pilsach am 11. Mai 1996 dar. Bei der vom Kreisheimatpfleger des Landkreises Neumarkt organisierten Volkstanzveranstaltung konnte von den beiden Tubisten Hans Maul und Stefan Kramer keiner den Termin wahrnehmen. Ein Ersatzbassist war nicht greifbar, und so wurde stattdessen der Schlagzeuger Hans Cepl verpflichtet, der sonst nur bei der Kirwa mitspielt – und da auch nur zusätzlich zur Tuba.

 

 

Im ersten Drittel der 1990er Jahre wurde bei den Alfelder Musikanten die Nachwuchs-Frage diskutiert. Nach und nach wollten sie sich aus Gesundheits- und Altersgründen aus dem Musikgeschäft zurückziehen, wünschten aber auch den Fortbestand der traditionellen Musik in Alfeld zu sichern. Also hörten sie sich nach jungen Leuten um, die Interesse an der Gründung einer neuen Musikgruppe haben könnten. Am 3. Oktober 1995 trafen sich schließlich Mitglieder der Alfelder Musikanten und einige junge Männer zu einer Besprechung im Gasthof »Berghof« in Alfeld. Bei einem Interview am 11. Februar 2000 erzählten Bernd Kolb, Lars Marksteiner, Matthias Maul und Wolfgang Maul von den Anfängen ihrer Gruppe.

 

Bereits seit Herbst 1994 nahm Bernd Kolb bei Georg Maul Klarinetten-Unterricht. Er spielte damals seit etwa acht Jahren als Gitarrist bei der Tanzband Sunshine-Boys und wollte musikalisch eben mal etwas anderes machen. Auch Matthias Maul (vulgo Mollerer) war als Schlagzeuger Mitglied der Sunshine-Boys, er hatte ebenfalls Lust, sich musikalisch neu zu orientieren und sich an der neu entstehenden Musikgruppe zu beteiligen. Da sein Vater Werner Maul bei den Alfelder Juniors Akkordeon gespielt hatte, war die Instrumentenwahl für ihn keine Frage, zumal er als Jugendlicher einige Grundkenntnisse beim Vater erworben hatte. Marco Zeltner hatte beim Alfelder Posaunenchor Trompete gespielt, dort aber wieder aufgehört. Er war bereit, seine Trompetenkenntnisse aufzufrischen und zu ergänzen. Und auch Lars Marksteiner, der bei der Jugendblaskapelle Hersbruck mitgespielt hatte, war zu diesem Zeitpunkt musikalisch nicht aktiv. Er entschied sich für die Klarinette. Bernd Maul (vulgo Krachn-Bernd) war als ehemaliger Gitarrist bekannt. In bierseliger Laune gab er eines Tages die Zusage, Trompete spielen zu lernen. Wolfgang Maul, der Sohn des »Bergwirts« und ehemaligen Tubisten der Alfelder Musikanten Hans Maul hatte Ende der 1970er Jahre ein Jahr Klarinetten-Unterricht bei Georg Maul, hörte dann aber aus Zeitgründen auf. Sollte aber einmal etwas zusammengehen, wäre er bereit mitzuspielen, hatte er damals verkündet. Sein Instrument wurde die Tuba.

 

Obwohl sich bei der Besprechung noch weitere Teilnehmer für das Mitspielen entschieden, formierte sich innerhalb kürzester Zeit aus den oben genannten sechs Personen die erste feste Besetzung: Lars Marksteiner (1. Klarinette in B, Heizungsbauer, * 1975), Bernd Kolb (2. Klarinette in B, Entwicklungsingenieur im Telekommunikationswesen, * 1972), Marco Zeltner (1. Trompete, Zimmermann, * 1976), Bernd Maul (2. Trompete, EDV-Kaufmann, * 1971), Matthias Maul (Akkordeon, LKW-Fahrer, * 1968), Wolfgang Maul (Tuba in B, LKW-Fahrer, * 1964). Wenige Wochen lang waren die erste Trompetenstimme und die Tuba doppelt besetzt. Die beiden jungen Männer hörten auf, als sich herausstellte, dass sie ständig transponieren müssten. Die C-Tuba hätte nicht aus den selben Noten wie die B-Tuba spielen können und der Trompeter, der beim Posaunenchor gelernt hatte, spielte sein Instrument nicht transponierend, während das transponierende Spiel in der Blasmusik üblich ist.

 

Etwa einen Monat nach dieser ersten Zusammenkunft erfolgte ein zweites Treffen, zu dem Georg Maul den Henfenfelder Trompeter Helmut Gawor († 2005) mitbrachte. Während er selbst die beiden Klarinettisten unterwies, nahm sich Helmut Gawor der Trompeter an. Der gebürtige Schlesier, der ein dreijähriges Studium an einem Konservatorium absolviert hatte, war ein Nachbar von Werner Lämmel. Auch als Musikerkollegen kannten sich die beiden, der hat mir auch viel beigebracht, lobte Werner Lämmel. (Interview vom 02.08.2000) Helmut Gawor war als Heimatvertriebener kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges in die Hersbrucker Alb gekommen. Georg Maul erinnert sich genau daran, wie er in Alfeld, im Gemischtwarenladen seines Vaters auftauchte: 

 

Da ist so ein kleiner Knirps in den Laden hinein gekommen. ... Ja, 45 wird es gewesen sein, ... und hat gesagt: Ihr seid doch Musikanten, habe ich gehört .... Ob wir kein Instrument zum Verkaufen haben, er macht [spielt] ein Instrument, Blasinstrument, Tenorhorn, oder Trompete ... Wir haben ja Klarinetten gehabt. Da hat der Vater gesagt: da gehst du zum Söhnlein rein, haben ihm beschrieben, wo er wohnt, dann ist er zum Söhnlein hinaus gegangen. Die Söhnlein haben viele Instrumente gehabt. Und der Söhnlein hat ihm ein Tenorhorn geschenkt. Geschenkt! Nicht verkauft. Er hat es ihm geschenkt. ... Mit dem Tenorhorn ist er dann – weil er wollte ja Trompete lernen, ist er hergegangen und hat dann eine Trompete eingetauscht. ... das vergesse ich mein Leben lang nicht, er hat es ihm geschenkt. (Interview vom 02.08.2008) 

 

Auch Xaver Reif kannte Helmut Gawor schon von seinen Zeiten bei der Hersbrucker Kapelle Steinlein. Xaver Reif spielte fünf Jahre lang in der zweiten Partie der Kapelle Steinlein, während Helmut Gawor zur gleichen Zeit in der ersten Partie als herausragender Trompeter galt. Es lag also nahe, den ausgebildeten Musiker als Lehrer zu engagieren, zumal weder Xaver Reif noch Werner Lämmel als Ausbilder tätig werden wollten. 

 

Und ich kann das auch nicht, weil ich habe das nicht gelernt und ich mische mich da nicht hinein. Das muss wirklich einer machen, der die Musikschule [hat], der kann die Harmonielehre und alles. Der erklärt das denen so schön und da habe ich nicht hinein mischen wollen, bekräftigte Werner Lämmel (Interview vom 02.08.2008).

 

Wolfgang Maul, der früher in die Tuba seines Vaters Hans nur ab und zu, und ohne jede Ambition, hinein geblasen hatte, wurde vom Tubisten der Alfelder Musikanten, Stefan Kramer unterwiesen. Matthias Maul erarbeitete sich das Akkordeonspiel autodidaktisch.

 

Um sich von den Alfelder Musikanten zu unterscheiden, aber auch um darauf hinzuweisen, dass sie sich mit ihnen verbunden fühlten und ihre Nachfolger werden wollten, wählten die jungen Leute erneut den Namen Alfelder Juniors und knüpften damit an die Situation der 1950er Jahre an. Sie sprachen damals von den Alfelder Musikanten als den Alten und den Alten aus Alfeld als den ganz Alten. Sie sind stolz darauf, dass ihre musikalischen Wurzeln zum Teil sogar bis in die Zeit der Alten aus Alfeld zurück reichen. Die Väter von Wolfgang und Matthias Maul, von Bernd Kolb und Lars Marksteiner spielten bei den Alfelder Juniors, den Alfelder Musikanten und den Jura Musikanten. Marco Zeltners Vater war musikalisch nicht aktiv, aber er kann einen Trompeter der Kapelle Vogel aus Fürnried in seiner Verwandtschaft aufweisen, einen Bruder des Großvaters mütterlicherseits. Zum Leiter der Kapelle Vogel, Hans Vogel (vulgo Vogel-Hanni) bestehen die bereits dargelegten verwandtschaftlichen Verhältnisse bei Wolfgang Maul.

 

Lebhafte Erinnerungen knüpfen sich an den ersten öffentlichen Auftritt der Alfelder Juniors am 23. Dezember 1995 im Gasthof »Berghof« in Alfeld. Stammgäste bekommen hier eine »Bierkarte« auf die sie pro Monat ein Freibier erhalten. Wer will, kann die Gesamtmenge bis Dezember aufsparen, wo sie meist beim »Schinken- und Schaschlik-Essen« verkonsumiert wird. 1995 hatten sich zwei »feindliche« Gruppen von Stammgästen gebildet: die regelmäßigen Freibiertrinker, die sich für Schinken entschieden hatten, und die einmaligen Freibiertrinker, die ausnahmslos Schaschlik essen wollten. Selbstverständlich saßen die Parteien getrennt im Gasthaus. In Anlehnung an die Alfelder Kirwa wurde ein Seil durch die Wirtschaft gespannt und ein kleiner Buschen daran fest gemacht. Während des Essens spielten die Alfelder Juniors abwechselnd für beide Gesellschaften auf. Ganze drei Musikstücke hatten sie zu diesem Zeitpunkt im Repertoire: den »Albachtal Schottisch«, die »Kreizer Girgl Polka« und den Walzer »Ei Moidl, du wunderschöins Ding«. Immer wieder spielten sie diese drei Titel, garniert mit spaßigen Bemerkungen, was die Stimmung im Lokal zusätzlich anheizte. Um Mitternacht fand dann die feierliche Wiedervereinigung der verfeindeten Gruppen statt, worauf alle zu den drei Stücken tanzten.

 

Beim nächsten Auftritt auf der Lieritzhöfer Kirwa im Sommer 1996 umfasste das Repertoire bereits rund 15 Titel. Damit ließ sich etwa ein eineinhalbstündiges Programm bestreiten. Weil die Verantwortlichen aber drei bis vier Stunden musikalische Unterhaltung wünschten, baten sie die Musikanten von vorn herein, zu wiederholen. Auch das Publikum war mit dieser Lösung zufrieden. Anfang 2000 hatten die Alfelder Juniors über 50 Titel parat und konnten, je nach Veranstaltungsart, vier bis fünf Stunden aufspielen, ohne sich zu wiederholen. Geplant war, im Lauf der Zeit möglichst das gesamte Repertoire der Alfelder Musikanten zu erlernen und zusätzlich weitere Titel, die den Gefallen der Alfelder Juniors finden. Darüber hinaus sollten Figurentänze erarbeitet werden, damit die Gruppe künftig auch bei entsprechenden Volkstanzveranstaltungen spielen konnte. Bei durchschnittlich 25 Auftritten pro Jahr waren die Alfelder Juniors zu hören.

 

 

Seit Herbst 1999 beschäftigten sich die Klarinettisten mit dem Saxophonspiel. Lars Marksteiner legte sich ein Alt-Saxophon, Bernd Kolb ein Tenor-Saxophon zu, beide nahmen Unterricht bei Musiklehrern. Die Musikanten hatten den Eindruck, dass ihr Publikum auf Kirchweihen und Dorffesten oder in Biergärten gern ein wenig Abwechslung hätte. Da bei diesen Gelegenheiten, mit Ausnahme des Alfelder Kirwa-Montags, kaum getanzt wird, sondern die Musik der Unterhaltung dient, sind neben der traditionellen Volksmusik vor allem alte, bekannte Schlager zum Mitsingen gefragt. Die Alfelder Juniors wollten sich auch in diesem Bereich nach und nach das etwa 50 Titel umfassende Repertoire der Alfelder Musikanten erarbeiten. Im Zusammenhang mit der Produktion ihres ersten Tonträgers 2006 beschäftigten sie sich auch mit den auf Schellackplatten überkommenen Melodien der Alten aus Alfeld. »Um einige dieser Titel ins aktuelle Repertoire aufnehmen zu können, wurden sie von den Musikanten transkribiert und – wo nötig – auch transponiert.« (Inlay-Card zur CD Alfelder Musikanten: Letzte Hose, 2006) Weiteres Repertoire stammt aus überliefertem lokalem und regionalem Notenmaterial und auch die alte Musikantenart, selbst Titel zu kreieren, ist auf der CD wiedergegeben.

 

Schon bald, ab der Alfelder Kirchweih 1997, banden die Alfelder Musikanten ihre zukünftigen Nachfolger in ihr Spiel ein. Zunächst durften Lars Marksteiner und Bernd Kolb während des Kirchweihfrühschoppens in Alfeld das Klarinettenregister verstärken, ein Jahr später standen bei gleicher Gelegenheit auch die Trompeter Marco Zeltner und Bernd Maul mit auf der Bühne. Bei der »Vogelsuppn«, die den Beginn der Kirchweihfesttage markiert (vgl. Kapitel 9.5.6), spielte 1998 die Nachwuchsgruppe einige Stücke allein auf, andere Stücke spielten Alt und Jung gemeinsam, während den Hauptteil die Alfelder Musikanten bestritten. Langsam konnten die jungen Musikanten so in ihre Aufgaben hineinwachsen und entwickelten sich zu den überall akzeptierten Nachfolgern der Alfelder Musikanten, die sich sukzessive aus dem aktiven Musikleben zurückzogen. Bei der Kirchweih 2001 spielte die ältere Generation letztmals »den Baum aus«, im Jahr darauf zum letzten Mal den Kirchweihfrühschoppen.

 

2005 ging der Name Alfelder Musikanten auf die neue Generation über, die damit ihre Vorgänger endgültig abgelöst hatte. Bis auf Matthias Maul gab es keine personellen Veränderungen. Nach einer kurzen Interimszeit, in der verschiedene Akkordeonspieler als Aushilfsmusikanten mitspielten, kam mit Heike Pilhofer (* 1975) erstmals eine Frau zu den Alfelder Musikanten. Die oberpfälzer Diabetesassistentin, die seit ihrer Teenagerzeit aktiv an den Kirchweihen der Region beteiligt ist, hilft schon lange Kirchweihpaaren bei der Einstudierung der Tänze und ist seit 2007 neben Uli Piehler Kirchweih-Beauftragte des Landkreises Amberg-Sulzbach. Sie war lange Jahre Mitglied des Heimat- und Trachtenvereins Erz- und Eisenwalzerboum Sulzbach-Rosenberg und sammelte  ab 1991 mit ihrer Kollegin Andrea Sebald (geb. Sperber) mehr als zehn Jahre im Duo Heike und Andrea vor allem bei Brautentführungen, Gartenfesten, Kirchweihen und Geburtstagen große Erfahrungen als Musikantin.

 

Die aufgezeigten Verbindungen zwischen den Musikkapellen und Musikantengenerationen sollen im Folgenden vertieft werden, indem nicht die Musikantenfolgen in den Kapellen einer Ortschaft – Happurg und Alfeld – sondern beispielhaft innerhalb einzelner Generationen betrachtet werden. Zeitgleich mit der Kapelle Dorn in Happurg und den Alten aus Alfeld waren die Kapelle Brunner in Hirschbach und die Kapelle Vogel in Fürnried aktiv. Die Wasslpäiter-Kapelle als Nachfolgekapelle der Fürnrieder erweitert die Erkenntnisse über die Zeit unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Parallel zu den Alfelder Musikanten entwickelten sich die Jura Musikanten ab 1968 zu einer der renommiertesten Volksmusikgruppen der Oberpfalz und die derzeit aktive junge Generation der Alfelder Musikanten  wird in Beziehung gesetzt mit der Familie Dachs aus Hartmannshof. Der Kreis der Musikanten weitet sich allmählich, neue Namen tauchen auf, aber auch immer wieder die alten Verbindungen durch verwandtschaftliche, freundschaftliche  oder althergebrachte Beziehungen. Das Miteinander von Generationen ist nach wie vor genau so wichtig wie musikalisches Können und die Kenntnis der lokalen Traditionen.